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AM RAND STEHENDE NICHT VERNACHLÄSSIGEN

Ein Blick in die meist noch kurze Biografie unserer Bewerber für ein Studium am sbt zeigt, dass diese gut ausgebildet sind. Viele verfügen über berufliche Qualifikationen, die zurzeit sehr gefragt sind und gut bezahlt werden. Fast alle kommen aus konservativ-bürgerlichen Familien, wo materielle Nöte ein Fremdwort und Ferien, Sport, schöne Kleider oder Reisen dagegen eine Selbstverständlichkeit sind. Kurz: unsere Studierenden entsprechen ziemlich genau dem Milieu, aus dem gemäss einer neuen Jugendstudie sog. Hochreligiöse stammen. Diese Tatsache löst bei mir eine kritische Frage aus: Erreichen wir mit der guten Nachricht von Jesus Christus nur noch die obere Mittelschicht und Oberschicht? Was ist mit jenen, die am Rand der Gesellschaft stehen?

Veränderte Leben und Lebensumstände durch Gottes Gnade

In meinen Diensten im In- und Ausland begegne ich in den Kirchen nur selten materiell bedürftigen Menschen. Die meisten üben angesehene Berufe aus, haben schöne Wohnungen oder Häuser, besitzen vielfach einen Zweitwagen, leisten sich teure Freizeitvergnügen und ermöglichen ihren Kindern gute Schulen und Ausbildungen. Noch krasser als im deutschsprachigen Europa ist mir das während meines Kurzsabbaticals in den USA aufgefallen. Wenn man der Studie glauben darf, dann finden wir in der Unterschicht nur gerade 5 Prozent hochreligiöse Jugendliche, dafür stammen 41 Prozent aus der Oberschicht. Junge Christen scheinen also von ihren Eltern oder Grosseltern zu profitieren, weil diese durch ihren Glauben an Jesus Christus eine klare Lebensperspektive erhielten, die zu Tugenden wie Disziplin, Fleiss, Treue oder Rechtschaffenheit und geordneten Familienverhältnissen führte. Die lange Geschichte Gottes mit seinen Kindern zeigt tatsächlich, dass sich mit der Hinwendung zu Christus oft auch die materiellen Lebensumstände radikal verändern, sofern die politische und wirtschaftliche Lage eines Staates dies zulässt bzw. eine Verfolgungssituation nicht verhindert. 

Gute Nachricht für die Armen und Verachteten

Doch was ist mit den Schwachen dieser Welt, mit den Geringen, den Verachteten, denen, die in unserer Gesellschaft nichts gelten? Eigentlich, so müsste man zumindest meinen, gilt gemäss 1Korinther 1,27-29 ihnen das besondere Augenmerk Gottes. In Korinths Kirche fanden sich jedenfalls – nach menschlichen Massstäben beurteilt – nicht viele Kluge oder Gebildete oder Mächtige oder Leute von vornehmer Herkunft. Wie nur kommt es, dass wir heute in unseren westlichen Kirchen ein fast gegensätzliches Bild vorfinden: angesehene Kirchenmitglieder, prunkvolle Kirchengebäude, professionell anmutende Shows als Gottesdienste, Castings für neue Chormitglieder? Ja, es stimmt, der Anteil an sozial schwachen Mitbürgern ist in unseren Ländern massiv kleiner als in grossen Teilen der südlichen Welt. Daher ist das Missverhältnis in unseren Gemeinden wahrscheinlich nicht so drastisch, wie es die Statistik vermuten lässt. Aber es bleibt ein Missverhältnis, das es zu beachten gilt. Leute mit dem Evangelium zu erreichen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen, bleibt unser Auftrag und unsere Herausforderung. 

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