«Schaut doch auf eure Berufung, liebe Brüder und Schwestern: Da sind in den Augen der Welt nicht viele Weise, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme» (1. Korintherbrief 1,26).
Was der Apostel Paulus vor fast 2000 Jahren den Christen in der Stadt Korinth schrieb, klingt in unseren Ohren wie eine Beleidigung. Sind wir Christen nicht mittlerweile angekommen auf der Bühne des Erfolgs? Geniessen wir nicht breite Zustimmung? Stolz präsentieren wir in den sozialen Medien einflussreiche Politiker, begabte Wissenschaftler und beliebte Musiker und Schauspieler als die unseren, die es zu landesweitem oder gar internationalem Ruhm gebracht haben. Als Christen werden wir eingeladen, bei gesellschaftlichen und politischen Themen mitzureden. Unser sozialdiakonisches Engagement und Einstehen für Recht und Gerechtigkeit wird geschätzt.
Christusnachfolge als Glamour?
Für unser Ziel, Menschen für Christus zu gewinnen, stellen wir gerne «Celebrities» als unsere Repräsentanten ins Rampenlicht. Zwar verfügen diese oft über das Bibelwissen eines Erstklässlers und vertreten nicht selten eigenwillige Glaubensansichten, aber immerhin scheinen sie Menschen zu beeindrucken. Nur, meist reden sie dann über Moral und nicht übers Evangelium. Eine 80-jährige Frau, die ihr Leben lang als Reinigungskraft gearbeitet hat und dabei Jesus treu nachgefolgt ist, kann da nicht mithalten. Für «evangelistische» Zwecke führte sie leider ein völlig unspektakuläres Leben. Längst sind viele von uns der Meinung, die Christusnachfolge sei jederzeit sensationell und imponierend. Das zeigen wir gerne in unseren Gottesdiensten. Diese haben wir vielerorts hochprofessionell aufgepeppt, um möglichst viele Kirchenbesucher zu gewinnen. Und es funktioniert. Wer besucht dann schon gern eine Kirche, in der sich schlichte, verschwitze Gläubige treffen, die mit schiefen Tönen Gott loben und einem unbekannten Pastor zuhören, der in einfacher Sprache Sündern Gnade predigt und zur Christusnachfolge motiviert, wenn ein paar Häuserblocks weiter beste Unterhaltung geboten wird?
Die Party wird nicht hier gefeiert
Was Paulus über die Christen in Korinth schreibt, gilt auch für die zwölf Jünger, die Jesus als Pioniere in seinem Reich auswählte. Dieses Team von Nobodys, einfache Menschen ohne besondere Bildung (Apg 4,13), hielt Jesus offenbar für qualifiziert genug, um ihnen die schönste und wertvollste Nachricht anzuvertrauen: Gott rettet Sünder! Wir wissen, dass die ersten Christen keine Gefeierten der Gesellschaft waren. Das Evangelium stiess auf heftigen Widerstand. Die Apostel gehörten nie zu den Mächtigen und Vornehmen dieser Welt, ganz im Gegenteil: Sie waren ständig von Verfolgung und vom Tod bedroht. Bessere Aussichten haben auch wir nicht. Die Stimmung kippt im Westen. Der Druck auf Christen nimmt zu. Wer in theologischen und in ethischen Fragen keine Kompromisse eingeht, wird angefeindet und ausgegrenzt. Stehen wir auch in Zukunft zu Christus, werden Privilegien und Anerkennung in Gesellschaft und Staat wegbrechen. Ungewöhnlich ist das nicht, denn in dieser Welt ist uns kein glanzvoller Auftritt zugesichert (1Petrus 4,12-14) – abgesehen davon, dass Glamour als Evangelisationsstrategie ohnehin keine Zukunft hat. Christen haben in ihrer 2000 Jahre alten Geschichte immer wieder alles verloren, nur um ihre Seelen zu gewinnen. Sie sind glücklich zu preisen, weil sie – um in biblischen Metaphern zu reden – Bürger von Jerusalem und nicht von Babylon sind. Babylons Party wird vergehen, Jerusalem dagegen erwartet ein ewiges Fest.