Vor Gott sind wir alle gleich! Wir sind alle die gleichen Sünder, sind alle gleich verloren und brauchen alle die gleiche Gnade Gottes. Wahre Grösse erleben wir in Gottes Barmherzigkeit uns gegenüber.
Die grosse Zahl an unwichtigen, einfachen oder sogar verachteten Menschen in der Kirche zu Korinth ist auffallend! Hier wie auch in unseren Leben beweist sich, was Paulus seinem Mitarbeiter Titus schrieb: “Er errettete uns nicht wegen unseren Werken, sondern wegen seiner Barmherzigkeit” (Titus 3,5). In einem deutschen Schlager heisst es: “Du wirst geliebt, weil du liebst”. Wäre das bei Gott so, dann hätte keiner von uns eine Chance. Nicht weil wir Gott lieben, liebt er uns, sondern weil er uns liebt, hat er uns bevorzugt und erwählt. Deshalb gilt für alle Zeiten: Sie haben nichts zu rühmen als nur Gottes Barmherzigkeit über ihrem Leben! (1Korinther 1,31).
Umgekehrte Werteskala
Dennoch: Rang und Namen sind für die Jesusnachfolger wichtig. „Wer ist denn der Grösste im Himmelreich?“, wollten die Jünger wissen (Matthäus 18,1). Interessant: Jesus sagt nicht, dass es keine unterschiedlichen Ränge in seinem Reich geben wird. Ganz im Gegenteil, unter seiner Herrschaft gibt es Grosse und Kleine! Aber diese Ränge haben nichts mit genetischer Vererbung, noch mit Bildung, Intelligenz oder körperlicher Fähigkeit zu tun. Jesus stellt unsere Werteskala völlig auf den Kopf: „Erste werden Letzte und Letzte Erste sein“. Gott berechnet wahre Grösse anders als Menschen! Wir denken, Gott messe uns an der Grösse unserer Kirche, der Anzahl der Mitglieder oder an unserem Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad. Der Himmel hält einige Überraschungen bereit, weil der Lohn gemäss der Treue und gemäss dem erfahrenen Leiden verteilt wird und nicht gemäss dem Erfolg, den grossen Budgets und den menschlichen Errungenschaften! Es entspräche nicht der Gerechtigkeit Gottes, wenn er uns nach unseren Gaben belohnen würde. Da gibt es äusserst talentierte Christen, die unheimlich Stolz auf ihre Fähigkeiten und Leistungen sind. Sie sind bekannte Musiker, Pfarrer, Autoren, Künstler, Wissenschaftler, Politiker. Ihre Namen kennt man auf der ganzen Welt. Tausende strömen zu ihren Veranstaltungen, ihre Bücher sind Bestseller und ihre Gagen gigantisch. Wir machen jedoch einen Fehler, wenn wir denken, dass sie damit automatisch auch bei Gott gross sind.
Stolz auf was?
Gott belohnt uns niemals für die Gaben, die er uns geschenkt hat! Für ihn zählt viel mehr, ob ich tue, was ich predige, ob ich in seinem Licht lebe, der Versuchung widerstehe, anderen vergebe und die Gemeinschaft mit Jesus pflege! Sprich: Wir sollen schlicht und einfach treu im Kleinen sein! Überhaupt wäre es dumm, wenn wir uns etwas auf unsere Gaben einbildeten. Die Kirche in Korinth war überdurchschnittlich von Gott begabt worden. Die Gläubigen waren deshalb nicht wenig stolz darauf. Doch Paulus wirft ihnen vor: „Alles, was du besitzt, hat Gott dir doch geschenkt. Hat er dir aber alles geschenkt, wie kannst du dann damit prahlen, als wäre es dein eigenes Verdienst?“ (1Korinther 4,7). Es gibt keinen Grund, stolz zu sein, denn alles – ob Intelligenz, Aussehen, körperliche Fähigkeiten, soziales Geschick und auch sog. Geistesgaben bzw. Charismen – ist von Gott gegeben! Viele Christen sehen einen engen Zusammenhang zwischen Autoritä bzw. Grösse bei Gott und Geistesgaben. Sie sagen: „Du führst Hunderte zu Jesus, du heilst viele Kranke, du bist ein äusserst wirkungsvoller und prophetischer Prediger, also bist du ein ganz Grosser bei Gott und besonders von ihm autorisiert!“ Aber das ist eine falsche Annahme. Geistesgaben sind kein Garant für ein geistliches Leben! Ausgerechnet den Christen in Korinth, denen es an keiner dieser von Gott geschenkten Gaben mangelte, musste Paulus schreiben: „Ich konnte nicht zu euch sprechen wie zu Menschen, die aus dem Geist leben, sondern musste zu euch sprechen wie zu solchen, die auf das Irdische beschränkt sind, mit in Christus noch unmündigen Kindern“ (1Korinther 3,1). Die Gemeinde in Korinth besass viele Gaben, aber es mangelte an Liebe und christlichem Charakter. Also ein Manko an wahrer Grösse!
Erfolg als Beweis für wahre Grösse?
Auch Erfolg im Dienst ist kein Beweis für Grösse bei Gott. Wie oft vollenden wir mit menschlichen Mitteln, was Gottes Geist begonnen hat (Galater 3,3). Die natürliche Gabe übernimmt die Aufgabe des Heiligen Geistes. Äusserlich ist vorerst kaum ein Unterschied sichtbar. Beim Beten wird aber nur noch geredet und nicht mehr auf Gott gehört. Das Bibelstudium gipfelt darin, dass ich meine eigenen Gedanken in den Text hineininterpretiere. Angebliche Heilungen sind nur psychosomatisch, Bekehrungen rein emotional, Predigten lediglich Massensuggestion und Prophetie Spreu ohne Weizen. Wer von Natur aus redebegabt ist, kommt ohne grosses Bibelstudium und ohne Gebet, ohne Angst vor dem Publikum und ohne Ehrfurcht vor Gott zurecht. Eine sympathische Persönlichkeit halten wir für eine Frucht des Heiligen Geistes. Nicht selten verkleidet die Geistesgabe meine mangelnde Erfüllung mit dem Heiligen Geist! Ja, „Grosses“ kann sich früher oder später als Kleines und „Geistliches“ als Menschliches entpuppen.
Wahre Grösse hat also nichts mit unserer Ausbildung, nichts mit unserer Stellung und auch nichts mit unseren Geistesgaben zu tun. Wahre Grösse leitet sich von unserem Leben mit Christus ab. Ermächtigung hat mit der Fülle des Geistes zu tun, und nicht mit den Geistesgaben.
Manch ein Studierender unserer Schule wünscht sich insgeheim, einmal ein ganz grosser Prediger zu werden. Innerlich sieht er sich schon als Pastor einer Megakirche mit Tausenden von Gottesdienstbesuchern. Er selbst jettet durch die halbe Welt und seine Bücher verkaufen sich millionenfach. Manchmal äussern die ganz Mutigen solche Gedanken in einem Gespräch. Mein Rat lautet jeweils etwa so:
„Du möchtest einer der ganz Grossen werden, ein ganz bedeutender Pastor? Dein Name soll im 21. Jahrhundert herausleuchten? Wenn Gott es so führt, preist den Herrn! Wenn er aber aus dir einen ganz einfachen und recht unbekannten Prediger in einer kleinen Kirche machen will, dann preist den Herrn ebenfalls. Akzeptiere deine Grenzen, denn wahre Grösse misst sich woanders!“
Quantität oder Qualität?
Was wird bei der grossen himmlischen Preisverleihung beurteilt? Es sind nicht die vielen Bekehrten, nicht die Tausenden von Predigten, nicht die besonderen Heilungen und auch nicht die Grösse der Kirche, sondern Treue allein! Treue im Kleinen! Und die kann man überall und jederzeit beweisen.
Gott wird uns nie den Vorwurf machen: „Weshalb hast du keinen tausendseitigen Kommentar über das Lukasevangelium geschrieben, weshalb bist du nicht ein weltbekannter Evangelist geworden, weshalb hast du nicht alle Blinden und Lahmen deines Landes geheilt?“, wenn er uns nicht dazu begabt und berufen hat. Gott wird niemals etwas von uns verlangen, was unsere Gaben, unseren IQ, unsere Gesundheit, unsere körperlichen Kräfte oder unsere psychische Stabilität übersteigt. Doch Gott will dieses eine: Gehorsam, Treue und Hingabe im Kleinen!
Martin Luther bemerkte einmal: „Wenn ich in den Himmel komme, erwarte ich drei Überraschungen zu erleben: 1) Es werden Leute da sein, die zu sehen ich dort nicht erwartet hätte; 2) andere, die zu sehen ich erwartet hätte, werden nicht dort sein; 3) die grösste Überraschung aber wird sein, dass ich selbst dort bin!“ Übertragen auf die wahre Grösse bei Gott können wir sagen: Vor dem Richterstuhl des Christus erwarten wir drei Überraschungen zu erleben: 1) Leute, von denen wir dachten, sie werden klein sein, werden gross sein; 2) Leute, von denen wir dachten, sie werden gross sein, werden klein sein; 3) die Grösste Überraschung wird sein, dass wir selbst aus dem Mund des himmlischen Richters ein „gut gemacht!“ hören werden!