Eine Gruppe von Schweizerinnen und Schweizern reichte eine Initiative mit 130.000 Unterschriften ein, die ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle verlangt. Dies unabhängig davon, ob jemand erwerbstätig ist oder nicht, reich oder arm, gesund oder krank, allein lebt oder in Gemeinschaft.
Generation Hängematte?
Das Medienecho auf diese unkonventionelle Initiative war riesig. Selbst im Ausland diskutierte man über die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen eines bedingungslosen Einkommens. Die Befürworter meinten, jeder Mensch habe das Recht auf ein Einkommen, egal ob er dafür etwas leiste oder nicht. Ein bedingungsloses Einkommen führe ohne Wenn und Aber zur Wertschätzung und Chancengleichheit. Andere hielten dagegen, diese Initiative sei ein Produkt der Generation Hängematte, Eigenverantwortung und Leistungswille würden vernichtet. Wer wollte noch arbeiten, wenn der Staat automatisch für das Einkommen sorgte? Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei eine komfortable Stallfütterung, die dazu führe, dass Menschen per Dekret ins Paradies befördert würden.
Führt Gnade zu einem liederlichen Leben?
Die Argumente der Befürworter und Gegner erinnern mich an eine alte theologische Frage, die in eine ähnliche Richtung zielt. Bedingungslose Rettung für hoffnungslos verlorene Menschen: Kann das gut gehen? Die Antworten darauf sind so alt wie das Evangelium selbst. Schon zur Zeit des Paulus waren Menschen der Meinung, die freie Gnade führe zu einem liederlichen Leben. Von Beginn an versuchten Christen immer wieder Gottes Rettung an Bedingungen und Leistungen zu knüpfen. Sie waren der Meinung, Gnade und Glauben allein verringerten die Eigenverantwortung, ja vernichteten sogar den Willen, Gott zu gehorchen. Immer wieder gab es Glaubensrichtungen, die in der bedingungslosen Gnade eine gefährliche Tendenz sahen, das Konzept der guten Werke madig zu machen.
Gnade als Motivationsschub in der Jesusnachfolge
Das Evangelium der Gnade ist also hochgefährlich und könnte tatsächlich zur provokativen Frage führen: «Sollen wir einfach weiter sündigen, weil nur noch die Gnade zählt und nicht mehr das Gesetz?» (Römer 6,15). Paulus gibt eine deutliche Antwort auf diese absurde Frage: «Das könnt ihr vergessen!» Damit zeigt er, dass Leute, die so fragen, nicht begriffen haben, was Gnade bedeutet. Niemand kann ernsthaft Christ sein, wenn er so weiterlebt, wie vor seiner Umkehr zu Gott. Wer mit Christus gestorben ist, ist frei geworden von Schuld, inneren Zwängen und Sünde (Römer 6,6-7). Wie dumm, wenn sich jemand wieder nach seinem alten Leben sehnte! Das wäre so unverständlich, wie ein Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz nach seiner Befreiung durch die Rote Armee sich nach Hunger, Folter, Unterdrückung, Demütigungen, Gaskammern, Krematorien und dem allgegenwärtigen Tod sehnte. Kein einziger der Befreiten überhäufte seine Retter mit dem Vorwurf: «Ihr habt mir mein Leben geraubt, ich will wieder zurück!» Solch einer Person hätte man sicher psychiatrische Hilfe angeboten, denn sie hätte Freiheit mit Unterdrückung verwechselt. Ob das Prinzip der bedingungslosen Gnade sozial-ökonomisch im säkularen Staat funktioniert, ist mehr als fraglich. Menschen unter der Kraft des Heiligen Geistes setzt es jedoch seit Jahrtausenden in Bewegung, für Gott zu leben und ihm zu dienen.