„Und dort verkündigten sie das Evangelium“ (Apg 14,7).
Als Kind hörte ich von Christen oft abfällige Bemerkungen über Gläubige, die von Veranstaltung zu Veranstaltung ihren „Starevangelisten“ nachreisten: „Ach, die gehen ja nur zu Evangelisationen, aber in der Kirche sieht man sie nie.“ Tatsächlich: Evangelistische Events in Theatersälen, Mehrzweckhallen, Zelten oder Kirchen zogen Hunderte an. Normale Gottesdienste? Spärlicher besucht. Warum waren Evangelisten so beliebt? Warum fanden viele ihre Pfarrer dagegen oft trocken und langweilig?
Evangelium: Christus rettet
Klar, Evangelisten konnten spannend, lebendig und lebensnah predigen – mit unterhaltsamem Rahmenprogramm. Es fühlte sich besonders an, dabei zu sein, wenn in der Stadt „was los war“. Aber ich glaube, es gibt noch einen anderen Grund: Evangelistische Events zeigten oft das Evangelium in „reiner“ Form. Es ging um den biblischen Indikativ: Es ist getan! Christus allein rettet. Der Himmel wird geschenkt, nicht verdient – pure Gnade.
Normale Gottesdienste dagegen boten oft etwas anderes: Imperative. Da ging es um To-do-Listen und moralische Appelle, um „mach dies, lass das“. Der Unterschied könnte kaum grösser sein.
Evangelisationen richteten sich vor allem an Menschen, die mit dem Glauben noch nicht viel zu tun hatten. Die Predigten waren zugänglich, geistliche „Anfängerkost“, vergleichbar mit Milchbrei – dafür braucht man noch keine Zähne.
Gottesdienste dagegen waren fürs „Fortgeschrittenen-Level“: Schwarzbrot für den Glauben, das intensiv gekaut werden wollte, manchmal schwer verdaulich und gelegentlich sogar „sauer aufstossend“.
Evangelium gehört in jede Predigt
Je länger ich junge Menschen in Theologie unterrichte, desto klarer wird mir: Wir müssen das Evangelium in jedem Gottesdienst verkündigen! Denn davon wir können nie genug bekommen. Die Zusagen des Evangeliums brauchen wir Sonntag für Sonntag – auch nach Jahrzehnten mit Jesus.
Wenn Christen lieber Evangelisten zuhören als ihren eigenen Pfarrern, könnte das daran liegen, dass in Kirchen oft kein echtes Evangelium gepredigt wird. Stattdessen hören wir manchmal parteipolitische Programme – egal, ob diese von links, rechts oder aus der Mitte kommen. Es geht um Pläne, wie wir uns oder die Welt retten sollen. Aber das ist nicht das Evangelium. Viele Gottesdienstbesucher werden mit modernen moralistischen Appellen und Verboten überrollt. Das bringt weder Ermutigung noch neue Kraft, sondern treibt die Menschen direkt ins kirchliche Burnout.
Mein Ziel ist es daher, Predigten konsequent auf Christus und sein Werk auszurichten – mit einem klaren Fokus auf das Evangelium. Dabei will ich nicht oberflächlich oder simpel bleiben. Ganz im Gegenteil: Die Zuhörer dürfen – und sollen – ihr Hirn einschalten. Es geht darum, Inhalte zu vermitteln, die tiefgründig und bewegend sind. Es muss nicht „einfach“ sein, und schon gar nicht primitiv. Auch gegenüber Nichtchristen dürfen wir durch pointierte Aussagen provozieren, sie intellektuell herausfordern und ihnen etwas mitgeben, worüber sie nachdenken müssen – auch wenn es sie vielleicht erst einmal irritiert oder ihnen „sauer aufstösst“. Der Glaube an Christus war schon immer ein Stein des Anstosses, und genau das ist okay. Dieses zentrale Hindernis dürfen wir niemals glattbügeln oder aus dem Weg räumen.
Natürlich sind Prediger unterschiedlich begabt. Manche können das Evangelium so erklären, dass sogar Menschen ohne Vorkenntnisse es verstehen. Andere widmen sich denen, die schon lange mit Christus unterwegs sind, und führen sie in die komplexen Tiefen der Erkenntnis Gottes. Was uns jedoch alle eint: Christus und sein Evangelium gehören immer ins Zentrum.