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Kritik an einer Megakirche - Hillsong Kirche

Wenn Kirchen zu lukrativen Unternehmen werden

Hillsong und die Kritik an Megakirchen

Die Doku «Hillsong: A Megachurch exposed» (deutsche Fassung: «Hillsong: Eine Kirche auf Abwegen» sorgt weltweit für Aufsehen. Sie zeigt, wie aus einer Kirche ein riesiges Unternehmen werden kann. Wer Interesse hat, kann die vierteilige Doku auf verschiedenen Streaming-Plattformen anschauen (sehr zu empfehlen):

  • Discovery Channel Deutschland zeigte die Doku als mehrteilige TV Ausstrahlung.
  • discovery+ mit deutscher Fassung als zentrale Plattform
  • Amazon Prime Video über den discovery+ Channel sowie teils als Kaufoption
  • Apple TV als Kauf oder Leihe mit deutscher Synchronisation oder Untertiteln
  • Google Play Movies als Kauf oder Leihe je nach Region
  • Blue TV in der Schweiz als Kauf oder Leihe mit deutscher Synchronisation unter diesem Link (Für Blue-TV-Kunden frei verfügbar): https://tv.blue.ch/details/global/series/Hillsong-Eine-Kirche-auf-Abwegen-id-21718484/1005

Der Hintergrund

Die Hillsong Kirche wurde 1983 von Pastor Brian Houston in Australien gegründet und entwickelte sich über Jahrzehnte zu einer der weltweit bekanntesten Pfingstgemeinden mit Standorten in zahlreichen Ländern. Der Schwerpunkt lag auf starkem Wachstum, der gezielten Ansprache junger Menschen und der Anpassung an den kulturellen Mainstream, besonders in den USA. Carl Lentz wurde zu einem der bekanntesten Leiter, nicht zuletzt durch seine Nähe zu Prominenten wie Justin Bieber und durch einen betont modernen Gottesdienststil. Weil charismatische Pastoren oft stark idealisiert werden, wurde auch Carl Lentz wie ein Star inszeniert und gefeiert, inklusive aller typischen Begleiterscheinungen: extrem teure Markenkleidung und luxuriöse Schuhe, Privatchauffeur, Bodyguards, Skandale und eine permanente Präsenz in den sozialen Medien.

Mit dem wachsenden Einfluss häuften sich schwerwiegende Vorwürfe. Im Zentrum standen moralische Verfehlungen von Carl Lentz und weiteren führenden Pastoren, sexuelle Affären, sexuelle Nötigung, Vorwurf der Vergewaltigung, exzessives Verhalten hinter den Kulissen, Missbrauchsvorwürfe sowie fehlende klare Verantwortungsstrukturen. Ehemalige Mitglieder, Mitarbeitende und Journalisten berichten von einer problematischen Führungskultur, in der Kritik unterdrückt und Probleme systematisch vertuscht wurden.

Ein grosser Teil der Dokumentation widmet sich den Skandalen rund um Carl Lentz in New York und den daraus resultierenden Führungsversagen. Ebenso thematisiert sie den Umgang der Kirche mit Anschuldigungen gegen Brian Houston sowie Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Verhalten seines Vaters, der in den 1970er Jahren als Pastor sexuelle Übergriffe an Kindern begangen hat.

Die richtige Haltung bei Kritik

Weder die Doku noch dieser Blogbeitrag wollen mit erhobenem Zeigefinger auf die Fehler anderer zeigen, in der arroganten Haltung, man sei besser oder ein derart gravierendes Fehlverhalten könne einem selbst nie passieren. Wir Menschen sind ausnahmslos fehlbar und haben einen starken Hang zum Egoismus, der Mitmenschen ausbeutet und herabwürdigt, nur damit das eigene Ego genährt wird. Ohne die Gnade Gottes sind wir alle zu den abscheulichsten Verhaltensweisen fähig. In uns allen steckt die Gefahr, anderen schwere und kaum zu tragende moralische Lasten aufzubürden, während wir selbst keinen Finger dafür rühren wollen (Mt 23,4). Genau diese Haltung führt zu einer widerlichen Heuchelei, wie sie in der Dokumentation schonungslos aufgedeckt wird.

Doch bei aller Kritik und den mitunter auch absolut notwendigen strafrechtlichen Prozessen gilt es, die alte Anweisung des Apostels Paulus zu beachten: «Auch wenn jemand bei einem Fehltritt ertappt wird, so sollt ihr, die ihr vom Geist bestimmt seid, den Betreffenden im Geist der Sanftmut zurechtbringen – doch gib acht, dass nicht auch du in Versuchung gerätst!“ (Galater 6,1) oder wie er es in 1Korinther 10,12 formuliert: „Wer zu stehen meint, sehe zu, dass er nicht falle!“ Dennoch: Heuchelei, moralisches Fehlverhalten und vor allem strafrechtliche Delikte müssen aufgedeckt werden, um einerseits die Opfer zu schützen und andererseits andere vor solchen Abgründen zu warnen.

Kein Generalverdacht

Die Doku stellt nicht alle Christen unter Generalverdacht. Kritisiert wird nicht der christliche Glaube an sich, sondern kirchliche Strukturen, die Machtmissbrauch ermöglichen und über lange Zeit begünstigt haben. Es handelt sich nicht um einen pauschalen Angriff auf das Christentum und auch nicht um eine Diffamierung des Glaubens als gescheitertes System. Im Gegenteil: Die Serie versteht sich als Weckruf. Sie will zum Umdenken führen und eine echte Umkehr anstossen. Kirchlichen Leitern, die im Rausch nach Ruhm, Macht und Luxus den Kern des Evangeliums aus den Augen verloren haben, wird ein Spiegel vorgehalten. Dieser zeigt ihre Verfehlungen und die schmerzhaften Folgen für die Gläubigen ungeschönt auf. Zu hoffen bleibt, dass die verantwortlichen Führungspersonen der Hillsong Kirche und ebenso alle, die vergleichbare Wege gegangen sind, ihre Schuld erkennen, sie ernst nehmen und sich vor Gott und Menschen demütigen. Ehrliche Umkehr eröffnet den Weg zur Vergebung.

Die grosse Anziehungskraft von Macht und Ruhm

Die Faszination von Macht, Ruhm, Geld und Sex ist kein modernes Phänomen. Schon vor 2000 Jahren warnte Johannes die Christen eindringlich davor:

„Liebt nicht die Welt! Hängt euer Herz nicht an das, was zur Welt gehört! Wenn jemand die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater keinen Raum in seinem Leben. Denn nichts von dem, was diese Welt kennzeichnet, kommt vom Vater. Ob es die Gier des selbstsüchtigen Menschen ist, seine begehrlichen Blicke oder sein Prahlen mit Macht und Besitz – all das hat seinen Ursprung in dieser Welt. Und die Welt mit ihren Begierden vergeht; doch wer so handelt, wie Gott es will, wird für immer leben“ (1. Johannesbrief 2,15–17).

Es wäre naiv zu glauben, kirchliche Leiter seien vor diesen Gefahren gefeit. Menschliche Leidenschaften, das Streben nach Macht und Geld sowie Arroganz gegenüber anderen stellen auch für sie eine reale Versuchung dar. Gerade Pastoren geraten in Gefahr, wenn sie wie Celebrities bejubelt werden. So entstehen kleine und grosse Stars, deren Charakter sich schleichend zum Schlechten verändert.

Business statt Kirche

Im Kern lässt sich das Verhalten vieler Leitungsfiguren der Hillsong Kirche so zusammenfassen: Statt als Hirten (Pastoren) die Schafe (Gläubigen) zu schützen und auf gute Weiden zu führen, wurden die Gläubigen ausgenutzt und schutzlos den Wölfen überlassen. Die Hirten sorgten für sich selbst, nicht für die ihnen anvertrauten Menschen. Eigennutz trat an die Stelle von Verantwortung. Die Schwachen wurden nicht gestärkt. Die Kranken nicht geheilt. Die Verletzten allein gelassen. Die Verirrten nicht zurückgeholt. Die Verlorenen nicht gesucht. Macht ersetzte Fürsorge. Verantwortung wurde durch Gewalt verdrängt. Dieses Bild erinnert eindrücklich an die Anklage des Propheten Hesekiel gegen selbstsüchtige Hirten (vgl. Hesekiel 34). Demgegenüber steht Christus als der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe lässt (Johannes 10,11).

Die Dokumentation zeigt deutlich, wie das Streben nach Wachstum und Ansehen die ursprüngliche Botschaft des Glaubens und die Fürsorge für die Gemeindemitglieder in den Hintergrund gedrängt hat. Für die Leiter zählten persönlicher Erfolg, Status und Präsenz in den Medien mehr als echte seelsorgerische Verantwortung. Ehemalige Mitarbeitende berichten von Überarbeitung, Schuldgefühlen und manipulativen Methoden. Kritik wurde oft als Zeichen von mangelndem Glauben oder fehlender Loyalität abgetan.

Die Kirche wurde dadurch zu einem Unternehmen, in dem die Gläubigen nur noch als zahlungsbereite Konsumenten gesehen wurden, die man nach Belieben beeinflussen konnte, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Mit dem leeren Versprechen, dass grosse Spenden auch grossen Segen von Gott bringen, wurden die Mitglieder selbst dazu gedrängt, lieber auf einen Kaffee zu verzichten, um den Betrag zu spenden – am Ende aber nur, damit sich die Starpastoren jeden Luxus leisten konnten. So findet wie in allen Kirchen mit einer Tendenz zum sogenannten Wohlstandsevangelium eine Kommerzialisierung des Glaubens statt. Die Hillsong-Kirche – wie leider viele andere auch – wurde wie ein Unternehmen geführt und als starke Marke präsentiert. Wachstum, Medienpräsenz, Musikindustrie und Nähe zu Prominenten verdrängten den eigentlichen geistlichen Auftrag. Das hippe Image der Kirche und das unbedingte Wachstum waren wichtiger als der Schutz und die Fürsorge der Mitglieder. Wachstum und Einfluss gelten gar als Zeichen göttlicher Bestätigung. Deshalb wurden Skandale um Affären, Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe häufig zu spät, unzureichend oder gar nicht aufgearbeitet, sondern vertuscht.

Hirten oder gefeierte Stars?

Die Dokumentation stimmt einen traurig. Man fühlt mit all den Menschen mit, die von ihren Pastoren – die sie als grosse Vorbilder gesehen haben – enttäuscht und verletzt wurden. Wie konnte es so weit kommen?

Ein Grund sind sicher die strukturellen Probleme, die sich über Generationen hinweg festsetzen, wenn sie nicht konsequent angegangen werden. Ein ehemaliges Mitglied vergleicht Hillsong sogar mit einer Sekte, und auch andere äussern sich ähnlich. Tatsächlich entstehen mit der Zeit sektenähnliche Mechanismen, wenn am Ende der Aufbau einer „Dynastie“ im Mittelpunkt steht, bei der es vor allem um Macht, Einfluss und viel Geld geht. Und wie man weiss: Macht verdirbt den Charakter! Wo es kein Korrektiv, keine Kontrolle und keine Rechenschaft gibt, ist der Weg zu sektenhaften Strukturen nicht weit.

Christliche Leiter können sehr moralisierend auftreten und von den Gläubigen ein Verhalten verlangen, das sie selbst gar nicht leben. Christus warnt uns davor, ein Leben in der Lüge zu führen. Auch Christen sind alles andere als perfekt. Wer etwas anderes behauptet, lügt (1. Johannes 1,8). Mein Eindruck: Je höher die moralischen Ansprüche an sich selbst oder andere, desto grösser ist die Gefahr der Heuchelei. Das Problem ist nicht, dass Christen Fehler machen, sondern dass diese Fehler vertuscht oder schöngeredet werden, statt sie ehrlich zuzugeben und Gott um Vergebung zu bitten. Wenn Christen Böses gut und Gutes böse nennen, die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis, Bitteres süss machen und Süsses bitter (Jesaja 5,20) – sprich, wenn sie anfangen die Sünde zu rechtfertigen, folgen auf der Stelle Exzesse aller Art, Missbrauch, Not und Elend – Gottlosigkeit.

Und ja, wer mit dem Feuer spielt, darf sich nicht wundern, wenn er sich verbrennt. Christen werden immer wieder dazu aufgefordert, sich von Dingen fernzuhalten, die ins Verderben führen – ja, ihnen sogar aktiv aus dem Weg zu gehen (1. Petrus 2,11; 1. Timotheus 6,11; 1. Thessalonicher 5,22). Versagen trifft uns nicht zufällig oder völlig unverschuldet. Wir sind verantwortlich für unser Leben und unseren Umgang mit anderen Menschen.

Über Sinn oder Unsinn von Megakirchen wird viel diskutiert. Meiner Meinung nach richten sie mehr Schaden als Nutzen an. Über zwei Jahrtausende hinweg war es die Strategie der Christen, in überschaubaren, lokalen Kirchen zusammenzukommen. Ein guter Hirte (Pastor) kennt seine Schafe (Kirchenmitglieder), und die Schafe kennen ihren Hirten. Genau das hat Jesus vorgelebt: „Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne“ (Johannes 10,14-15).

Trendige Pastoren wie Carl Lentz feiern sich für zehntausende Likes in den sozialen Medien. Aber kennen sie ihre „Fans“? Und kennen diese ihren Pastor? Die Doku zeigt sehr deutlich, dass das nicht der Fall ist. Für mich gilt deshalb: Lieber hundert Menschen in der Gemeinde persönlich kennen, als sich über 50.000 Likes auf Instagram zu freuen – denn was weiss ein so gefeierter Pastor wirklich über die Sorgen und Nöte seiner Fans? Da ist mir jener Pfarrer ein Vorbild, der seine Gemeindemitglieder nur schon am Klang und Takt ihrer Schritte im Flur erkannte!

Die Kirche braucht keine Stars und auch keine VIP-Bereiche, wie sie etwa die Hillsong-Kirche in New York eingeführt hatte. Gute Pastoren sind keine gefeierten Stars auf grossen Bühnen, sondern Hirten, die sich um die Menschen kümmern, die Gott ihnen anvertraut hat – jeder auf seiner eigenen, von Gott zugewiesenen lokalen „Wiese“. Pastoren können und müssen nicht die ganze Welt retten. Mit einem treuen und engagierten Dienst für Gott und die Menschen bewirken sie jedoch in ihrem konkreten Umfeld einen spürbaren Unterschied. Mehr braucht es nicht. Bemerkenswert: Ein ehemaliges Hillsongmitglied erinnert sich in der Doku an seine frühere Kirche, die Mahlzeiten für die Ärmsten zubereitete, statt sich – wie bei Hillsong – auf deren Kosten zu bereichern! Wer immer nur die grosse Bühne sucht und die ganze Welt im Blick hat, verliert seine Berufung als Hirte, der seine Schafe kennt. Solche Menschen werden zu Lohnarbeitern, denen die Schafe nicht wirklich wichtig sind und die sie im Stich lassen, wenn es schwierig wird (vgl. Johannes 10,12-13). Oder noch schlimmer: Sie sehen die Schafe nur als Mittel zum Zweck, um ihren eigenen Ruhm, ihre Macht und ihre Einnahmen zu steigern.

Und die Schafe (Kirchenmitglieder)?

Viele Gläubige begegnen geistlichen Leitern mit zu grosser, ungeprüfter Loyalität. Leiter werden idealisiert, Kritik gilt schnell als Illoyalität oder mangelnder Glaube. Das entsteht oft aus dem Wunsch nach Sicherheit, klarer Führung und Zugehörigkeit. Charismatische Persönlichkeiten, starke Gemeinschaften und Erfolgsgeschichten verstärken diesen Effekt. Dadurch werden Warnzeichen übersehen, Macht sammelt sich bei wenigen, und Missbrauch kann lange unentdeckt bleiben. Die Bibel fordert jedoch keine blinde Gefolgschaft, sondern mündigen Glauben, der Lehre und Leitung prüft und Verantwortung teilt. Jesus versteht Leiterschaft als Dienst, nicht als Herrschaft. Korrektur ist Ausdruck von Liebe. Geistliche Leiterschaft ist immer begrenzt und rechenschaftspflichtig. Viele Gläubige müssen sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen. Damit ist keine Böswilligkeit oder mangelnde Intelligenz gemeint, sondern eine unkritische, idealisierende Haltung, bei der Autorität nicht mehr geprüft wird. Loyalität wird absolut gesetzt und geistliche Leiter werden implizit oder explizit mit moralischer Unfehlbarkeit verbunden. Gehorsam ersetzt so Mündigkeit. Das eigene Urteilsvermögen wird an die geistlichen Leiter delegiert. Kirchengeschichte und Gegenwart zeigen immer wieder, dass ungeprüfte Loyalität geistlichen Missbrauch begünstigt. Skandale entstehen meist nicht durch einzelne Fehltritte, sondern durch Strukturen, die Kritik unterdrücken und Macht schützen. An der Entstehung solcher Systeme tragen auch die Gläubigen eine Mitverantwortung. Es ist falsch und sogar gottlos, wenn geistliche Leiter zu messiasähnlichen Figuren erhoben werden, die als unantastbar gelten. Dazu passt die klare Warnung: «Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut und Fleisch zu seiner Kraft macht und dessen Herz sich vom HERRN entfernt» (Jeremia 17,5).

Möge unser barmherziger Gott die Verantwortlichen in der Leitung der Hillsong-Kirche zu ehrlicher Umkehr und echter Demut führen. Und möge er den Gläubigen Urteilsvermögen und Mut schenken, Missbrauch rechtzeitig zu erkennen und offenzulegen.

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