Viele Christen engagieren sich leidenschaftlich für eine multikulturelle Gesellschaft. Sie sehen in ihr eine Bereicherung des kirchlichen Lebens. Die christliche Gemeinde war tatsächlich von Anfang an kunterbunt. Im Gottesdienst trafen sich Leute aus dem griechisch-römischen und jüdischen Kulturkreis, Frauen und Männer, Kinder und Erwachsene, Einheimische und Migranten, Sklaven und Herren, Traditionalisten und Progressive, mehrheitlich Arme und Verachtete, aber zwischendurch auch Wohlhabende und Angesehene. Nicht selten gab es deswegen Ärger. Darüber lesen wir zum Beispiel in Apostelgeschichte 6 oder 1Korinther 11. Doch die gleichen Leute, die heute Multikulti in der Gesellschaft forcieren, holen oft durch die Hintertür ihrer Kirchen eine ausgrenzende Kultur herein, die unsere christliche Gemeinschaft zu zerstören droht.
Bunt statt gleichartig
Das Erfolgsrezept vieler Kirchen heisst: Triff dich mit Leuten aus deiner Alters-, Rassen-, Klassen-, Bildungs- und Sprachgruppe. Das ist nichts Neues. Schon in den 60er-Jahren sah die Gemeindegründungsbewegung in der sogenannten homogenen Einheit den Schlüssel zum erfolgreichen Gemeindebau. Im neutestamentlichen Kontext hätte diese bedeutet: Griechen unter sich, ehemalige Prostituierte ebenfalls, Judenchristen sowieso und Herren mit Sklaven gemeinsam schon gar nicht. Die Apostel sahen das, Gott sei Dank, anders und bildeten die theologische und ganz praktische Grundlage für echtes Multikulti in der Gemeinde, denn so profitierte jeder.
Altersdurchmischt statt gleichaltrig
Tendenzen zur Bildung homogener Gemeinden finden wir auch unter Migranten. Hier wünschte ich mir durchaus eine stärkere Vermischung von Migrantenkirchen mit einheimischen Gemeinden – zur besseren Integration und zum Nutzen aller. Doch die weit grössere Gefahr besteht im Aufsplitten der Generationen. Junge treffen sich zum Hipstergottesdienst, Familien zum Event mit attraktivem Kinderprogramm und konventioneller Predigt, Senioren zum traditionellen Gottesdienst mit vierstimmigem Chorgesang. Die Vorteile liegen auf der Hand: Jeder kriegt genau die Mischung, die seinem Geschmack und Bedürfnis entspricht. Die langfristigen Auswirkungen sind jedoch fatal: Es dominiert jeweils nur eine Generation, ein Geschmack, ein Stil. Das Miteinander der Multiage-Gesellschaft ist jedoch so zentral wie das Zusammenspiel der vielfältigen Berufs-, Bildungs- und Kulturgruppen.
Einheit in der Vielfalt
Vor ein paar Jahrzehnten warf man dem Evangelikalismus vor, er werde von weissen Rationalisten, von nachaufklärerischen, zwanghaften Männern mit schottischer Vernunft dominiert. Ganz so dramatisch stellt sich die Situation heute wohl nicht mehr dar. Doch Kirchen, die ein einheitliches Alter in ihren Gottesdiensten bevorzugen, steuern ihr Schiff mit schwerer Schlagseite. In typischen Jugendgemeinden fehlt es sicher nicht an Intelligenz, an top ausgebildetem Personal und schon gar nicht an ansprechenden Predigten, aber es mangelt dafür an Weisheit und Erfahrung. Gemeinden, die nur aus Senioren bestehen, fehlt dagegen der jugendliche Esprit, die Risikobereitschaft, das nötige Draufgängertum. Gemeinsam wäre man stärker! Und wie sonst lässt sich die von Gott geschaffene Einheit in der Vielfalt verschiedener Kulturen und Generationen besser zum Ausdruck bringen?