Die Gefahr von Erfolgsrezepten

Eine Million Affen spekulieren nach dem Zufallsprinzip an der Börse, und nach 20 Jahren sind wahrscheinlich alle pleite – bis auf einen. Diese These stellt Rolf Dobelli in der Zeitschrift «Das Beste» auf. Zufällig hätte sicher ein Affe alles richtig gemacht und es zum Milliardär gebracht. Alle Medien werden sich auf diesen «Erfolgsaffen» stürzen und nach seinen Erfolgsprinzipien forschen. Die gesamte Welt würde sich schliesslich seine Methoden zueigen machen, um nach den gleichen Prinzipien reich zu werden. «Denn wie kann einer, der zwanzig Jahre lang immer richtig gelegen hat, bloss ein unwissender Affe sein?», fragt Rolf Dobelli provozierend.

 

Erfolg als Zufall

 

Dem Autor des Artikels geht es darum, seine Leser vor zwei Fehlern zu bewahren.

Erstens schliessen wir ständig vom Resultat auf den Prozess und vom Erfolg auf die Strategie. Dabei schauen wir aber selten bis nie auf die vielen Personen und Firmen, die mit denselben Strategien, Methoden, Grundsätzen und Forschungsinvestitionen Misserfolg produzierten. Hätten wir auch diese im Auge, würden wir schnell einmal feststellen, dass Erfolg meist blosser Zufall ist. Noch verheerender wirkt sich der einseitige Blick auf den erreichten Erfolg aus, wenn wir von der Vergangenheit auf die Zukunft schliessen. Der eine Affenmilliardär könnte nämlich schon im nächsten Jahr mit derselben Anlagestrategie Konkurs machen und mit ihm alle, die auf seine Methode gebaut haben.

Zum anderen machen Menschen den Fehler, dass sie Erfolgsmethoden von einem spezifischen Gebiet auf andere übertragen. Was in der Wirtschaft funktioniert, soll auch im Privatleben zum Erfolg führen. Vereinfachte und leicht verdauliche Erfolgsrezepte werden überreichlich mit Beispielen aus allen Lebensbereichen untermauert.

Gemäss Rolf Dobelli wird die Frage schon gar nicht gestellt, ob die erfolglosen Affen nicht dieselben Prinzipien angewandt haben – einfach mit dem Unterschied, dass sie Pech hatten. Es könnte doch alles reiner Zufall gewesen sein, stellt der Autor am Schluss lakonisch fest.

 

Die Macht der göttlichen Souveränität

 

Der Artikel forderte mich persönlich stark heraus. Gibt es nicht ähnliche Gefahren in unserer christlichen Arbeit? Meinen wir nicht ebenfalls, dass der «Erfolg» in Kirchen und christlichen Institutionen auf Methoden und spitzfindige Strategien zurückzuführen sei? Wie oft rennen Christen des 21. Jahrhunderts den «Erfolgreichen» nach und versuchen deren Strategien, Grundsätze und Überzeugungen zu kopieren, um auch Anteil am «Erfolgskuchen» geniessen zu dürfen. Aber praktisch nie wurde untersucht, ob die vermeintlich erfolgreiche Vorgehensweise nicht bei vielen anderen Kirchen und christlichen Einrichtungen zum Schiffbruch führte. Dabei müssten wir doch eigentlich aus der Bibel gelernt haben, dass Gottes Geist wirkt, wie er will (Joh 3,8; 1.Kor 12,11) und dass sich deshalb Ereignisse nicht eins zu eins wiederholen. Keiner der biblischen Glaubenshelden hatte das Privileg, die Strategien und Führungen Gottes seiner Vorgänger oder Zeitgenossen nachahmen zu dürfen. Henoch musste den Tod nicht erfahren, er wurde von Gott entrückt. Noah lebte genauso verbindlich seine Beziehung zu Gott wie Henoch, doch sein Auftrag lautete: Bau eine Arche! Moses wurde von Gott anders geführt als die Erzväter, Salomo anders als David und Jesaja anders als Elia. Gott führt und segnet unterschiedlich. Wenn Gott in einer bestimmten Stadt geistlichen Durchbruch und Erweckung schenkt, dann hilft es wenig, wenn Christen dahin pilgern, um diesen Segen abzuholen. Gottes Geist wirkt, wie und wo er will. Auf eine einzige Methode zu bauen, die anderen Christen grosses Gemeindewachstum schenkte, ist gefährlich, denn Gott will bei uns eventuell völlig anders vorgehen.

 

Eigentlicher Erfolg

 

Erfolg in unserer Gemeinde oder in unserem Leben kann sich in einer ganz anderen Form zeigen, als wir erwarten. Erfolg ist ja nicht nur die Umkehr zu Jesus von einer bestimmten Anzahl von Menschen, Erfolg bedeutet nicht unbedingt Steigerung der Auflagen christlicher Literatur, Zunahme der Gottesdienstbesucher oder Studentenzahlen an theologischen Ausbildungsstätten. Erfolg in den Augen von Jesus Christus heisst vor allem Reifen in der biblischen Erkenntnis, in der Gewissheit der Liebe Gottes auch in den Tiefen des Lebens oder charakterliche Veränderung durch Gottes Wirken in unserem Leben. Es ist wird sich daher frustrierend auswirken, wenn wir Methoden oder Wirkungsweisen grosser Erweckungen der Geschichte in unseren Tagen auf dieselbe Weise wiederholen und erleben wollen. «Jede Generation muss für sich feststellen, in welche Richtung sie der Geist Gottes führt», sagte Jonathan Edwards. Hüten wir uns also davor, geistlichen «Erfolg» auf gewisse Strategien zurückführen. Methoden sind die Krücken, die einzig und allein durch das souveräne Wirken Gottes zu wirkungsvollen Instrumenten gemacht werden. Versuchen wir auch nicht, ständig Vergangenes zu wiederholen, aber öffnen wir uns für Gottes Überraschungen und Führungen in unserer Zeit. Rechnen wir mit seinem Wirken, das meist völlig anders aussieht, als wir es erwartet haben.

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